Die Fußball-Europameisterschaft EURO 2024 hat nicht nur sportliche, sondern auch weitreichende ökonomische Auswirkungen auf die Gastgeberstädte. Die Austragung von EM-Spielen werde Dortmund entsprechend deutlich beleben, erklärt Prof. Dr. Axel Faix vom Fachbereich Wirtschaft im Interview mit der FH-Online-Redaktion.
Herr Prof. Dr. Faix, um als „Host City“ der EURO 2024 sechs Spiele auszurichten, entstehen für Dortmund laut Medienberichten Kosten in Höhe von mehr als 20 Millionen Euro. Lohnt sich das für die Stadt?
Axel Faix: Ja, davon kann man ausgehen. Ich habe mit einem Forschungsteam unterschiedliche Szenarien betrachtet, die im Durchschnitt vorteilhafte ökonomische Effekte für die Stadt in der Größenordnung von 120 Millionen Euro erwarten lassen. Unsere Modellrechnung umfasst Ausgaben der Gäste, die die Stadt während der EURO 2024 besuchen – aber auch der Bewohner*innen, die sie entgegen ihrer sonstigen Gewohnheiten nicht verlassen. Dazu gehören Ausgaben für Unterkünfte sowie Getränke und Nahrungsmittel, aber zum Beispiel auch für Fanartikel, Bekleidung und weitere Freizeit- und Kulturveranstaltungen. Darüber hinaus haben wir Einkommens- und Steuereffekte einbezogen.
Bei den Annahmen über die Anzahl der Fans bei den Spielen und Fanfesten, ihre Aufenthaltsdauer in der Region und ihre Ausgaben für unterschiedliche Güter haben wir uns an vorliegenden Referenzstudien orientiert. Unter anderem gibt es eine sehr aufwändige Befragungsstudie, die im Verlauf der Weltmeisterschaft 2006 unter den Gästen durchgeführt wurde und zahlreiche auch für die EURO 2024 relevante Einzelparameter aufgreift.
Neben den vorteilhaften ökonomischen Effekten für die Stadt ist zudem eine emotionale Rendite zu erwarten, deren Ausmaß vom tatsächlichen Verlauf der Spiele des Turniers und der Stimmung bei den begleitenden Fanfesten und Partys abhängt. Das Image der Stadt kann hiervon mittel- bis langfristig erheblich profitieren.
Lassen sich Parallelen zwischen der EM 2024 und der WM 2006 ziehen?
Axel Faix: Zwischen beiden Großereignissen gibt es Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Bei der WM 2006 fiel es einer recht jungen, weitgehend neu formierten Nationalmannschaft, die ohne größeren Erwartungsballast ins Turnier gehen konnte, relativ leicht, die Zuschauer*innen für sich einzunehmen und – bei vierwöchigem Sonnenschein – in Partylaune zu bringen. Das aktuelle Team wird dagegen in starkem Maße mit den sportlichen Enttäuschungen der vergangenen Jahre verbunden.
Dabei finden beide Turniere in Zeiten statt, die durch wirtschaftliche Probleme gekennzeichnet sind, sodass jeweils „Stimmungsaufheller“ gut gebraucht werden können. Allerdings ist der Hintergrund der EURO 2024 deutlich schwieriger, da die Bevölkerung durch Kriege, geopolitische Krisen, die Nachwirkungen der Corona-Pandemie und die Bedrohung durch den Klimawandel stärker verunsichert ist.
Auch die Besucher*innenstruktur ist unterschiedlich: Zur WM 2006 reiste ein größerer Teil der Gäste aus ferneren Regionen der Erde an, beispielsweise aus Südamerika und Asien. Hierdurch ergab sich ein weitergefasster „Impact“ des Turniers, weil sich Menschen aus aller Welt begegneten. Die von weit her angereisten Gäste blieben in der Regel längere Zeit im Land – und unternahmen teilweise noch Anschlussreisen innerhalb Deutschlands oder Europas, außerdem hatten sie eine höhere Zahlungsbereitschaft für Konsumgüter.
Viele der Gäste, die zur EURO 2024 erwartet werden, kommen aus dem Inland oder dem näheren europäischen Ausland. Und im Unterschied zu 2006 steht die EURO 2024 stark im Zeichen der Nachhaltigkeit – die Veranstalter streben an, in dieser Hinsicht völlig neue Standards zu setzen. Hierbei steht insbesondere das Mobilitätsverhalten der Besucher*innen im Fokus der beteiligten Gebietskörperschaften. Günstig ist, dass verglichen mit der WM 2006 weniger Geld in Stadien und Infrastruktur investiert werden muss.
Mit welchem Fanverhalten rechnen Sie?
Axel Faix: In Zusammenarbeit mit der Bewertungsplattform FanQ haben wir seit Anfang des Jahres 2023 systematisch untersucht, wie sich die Vorfreude der Fans auf das Turnier entwickelt. Dabei war zu sehen, dass Einzelereignisse wie gewonnene oder verlorene Länderspiele, der Wechsel des Bundestrainers usw. starke Einflüsse auf die in einer bestimmten Zeitspanne geäußerte Vorfreude ausüben.
Allerdings ließ sich auch ein längerfristiger Trend ausmachen, nämlich ein Anstieg der Vorfreude mit zunehmender Nähe zum Turnierstart. Wenn die Rahmenbedingungen passen, also die deutsche Elf gut aus den Startlöchern kommt und Begeisterung auf den Rängen entfachen kann, kann es zu stimmungsvollen Begegnungen in den Stadien und im Umfeld kommen, deren Dynamik sich dann fortpflanzt.
Begleitende Analysen zu den angeführten Erhebungen zeigen, dass viele Menschen auch trotz der beschriebenen Krisenlage bereit sind, sich von Fußball-Festen begeistern zu lassen. Sollte die deutsche Mannschaft mit sportlichen Erfolgen im Turnier überzeugen und auch das Wetter günstig sein, spricht viel dafür, dass die EURO 2024 in Deutschland wirklich zu einem Fußballfest wird, wie es 2006 legendär wurde.